Fallbeispiele der IT Inkubator GmbH¶
Fallbeispiel 1 mit Fokus auf die Phase Idee - Software im Bereich Satellitentechnologie¶
FIG KEF 2 Case 1 |
Transfergegenstand und Rechtesituation¶
Mehr als 17.000 Satelliten sollen bis 2027 in eine niedrige Erdumlaufbahn geschossen werden, um die Erde in Echtzeit zu beobachten und weltweite Konnektivität zu gewährleisten. Die Vielzahl von Missionsinitiativen ist ein Zeichen für die Demokratisierung des Weltraums und bietet enorme Geschäftsmöglichkeiten. Hintergrund dieses Projekts ist die (Weiter-) Entwicklung eines intelligenten Algorithmus zur Batterieoptimierung von LEO-Satelliten. Die Technologie wurde von einem Lehrstuhl einer Universität entwickelt. Involviert waren Mitarbeiter des Lehrstuhls. Es gab zwei Förderprogramme des European Research Council (ERC), innerhalb derer die Software entwickelt wurde
ERC Grant
ERC PoC Grant
Das IP, das im Rahmen der Entwicklung und der Förderprogramme entstanden ist, gehört der Universität. Es gibt an der Universität eine Regelung zum Umgang mit geistigem Eigentum (IP Policy), die zwischen dem entwickelnden Lehrstuhl und der Universität gültig ist. Durch die ERC-Grants wurden keine IP-rechtlichen Ansprüche erhoben.
Bewertung¶
Während der nachträglichen Bewertungsphase konnten folgende kritische Erfolgsfaktoren identifiziert werden:
Team: Sehr kritisch, da das Team einen Antrag für einen PoC Grant gestellt hatte und dieser zunächst abgelehnt wurde, da das Team nicht vollständig war (fehlendes Business Know-how). Erst als das Team vollständig war, wurde der Antrag genehmigt.
Erfindungsmeldung: Diese sollte zeitnah gemacht werden, um einen möglichen Schutz der Idee überprüfen zu lassen.
Team-Setup: Für den Antrag war das Setup ausreichend. Für eine geplante Start-up Ausgründung müsste es ergänzt werden.
Timing: Man muss beachten, dass es möglichst direkt nach Auslaufen eines Projekts (Grants) nahtlos weitergeht, um das Momentum nicht zu verlieren.
IP in Förderprojekten: Kritisch, da ERC möchte, dass man Ergebnisse in Papern veröffentlicht, was in krassem Kontrast zu Kommerzialisierungsgedanken und Sicherung von IP steht.
Schutz Code: Es ist sehr schwierig, den Code zu schützen.
Kundenakquise: Start der Kundenakquise im frühen Stadium.
Geschäftsmodell: Es war kritisch, ein Geschäftsmodell Open/Closed Source zu finden, das gleichzeitig eine Kommerzialisierung und den (kostenfreien) Zugang für die Wissenschaft ermöglicht.
Anschlussfinanzierung: In diesem Fall ist eine Anschlussfinanzierung kritisch. In Frage kommen primär Acceleratoren, Inkubatoren und andere öffentliche Fördermittel. Venture Capital in dieser frühen Phase ohne eine erfolgte Ausgründung nahezu unmöglich.
Commitment/Verfügbarkeit Teammitglieder: Die aktuelle Verfügbarkeit der Teammitglieder im Hinblick auf eine mögliche Ausgründung und Entwicklung des Unternehmens ist sehr schwierig.
Entscheidungshilfe¶
Für den hier beschriebenen Anwendungsfall war die Entscheidungshilfe nicht unbedingt notwendig.
Transfer- und Geschäftsmodel¶
Das vorliegend interviewte Start-up verfolgt ein B2B-Geschäftsmodell.
Technologisch soll eine Software-as-a-Service Geschäftsmodell basierend auf einer Cloudlösung implementiert werden. Neben einer Kommerzialisierung durch Lizenzverkäufe und Serviceangebote soll es auch eine kostenfrei nutzbare Version für die Wissenschaft geben, um diese zu enablen. Momentan ist ein Emulator angedacht, mit denen Forscher etc. Simulationen durchführen können.
Involviert waren:
Lehrstuhl über weiteren Fortgang Entwicklung
European Research Council (ERC) bzgl. Bewilligung des PoC-Grants
Grant-Team des Lehrstuhls im Bereich Kommerzialisierungsideen
Patentverwertungsagentur
Darüber hinaus waren eingebunden:
IT Inkubator als Sparingspartner im Bereich Business
Mitarbeiter des Inkubators im späteren Projektteam während PoC Grant
Fazit¶
Der Gesamtzeitraum der Ideenentwicklung betrug ca. 2 Jahre. Die Entscheidung über Ausgründung oder Lizenzierung steht nun an. Insgesamt war man mit dem Ergebnis zufrieden der Proof of Concept wurde erbracht. Fallstricke entlang des Prozesses bzw. bei den Entscheidungen lagen vorallem in der Nutzung des Patent und in dem Lizenzvertrag zur Nutzung Patent
Learnings aus dem Gesamtprozess waren:
schneller Lizenzvereinbarung mit Universität herbeiführen
Patent schneller vorantreiben
Fallbeispiel 2 mit Fokus auf die Phase Gründen - Software im Bereich Cybersicherheit¶
FIG KEF 2 Case 2 |
Transfergegenstand und Rechtesituation¶
Das ursprüngliche Produkt wurde von einem Mitarbeiter der Universität entwickelt und zum Patent angemeldet. Für die Kommerzialisierung des Patents hat die lokale Verwertungsagentur gemeinsam mit der Technologietransferorganisation ein Gründerteam gescoutet, welches die Idee weiterentwickelt und kommerzialisiert. Es wurde erfolgreich ein EXIST-Gründerstipendium eingeworben. Ergänzend hierzu hat auch noch ein Pre-Seed Finanzierer (Start-up Inkubator) investiert, um ein erfolgreiches Start-up aufzubauen. Die Co-Founder sind alle an dem Unternehmen beteiligt.
Das Start-up arbeitet mit einem Patent, deren Eigentümerin eine Universität ist.
Das Start-up soll das Patent exklusiv nutzen können. Hierfür soll ein Lizenzvertrag aufgesetzt und unterschrieben werden. Das Patent wurde durch die Universität angemeldet, ist jedoch noch nicht erteilt. Erfinder des Patents bzw. auch des Produkts ist ein Mitarbeiter der Universität, der von der Universität vergütet wird. Dieser Erfinder ist in der Zwischenzeit auch Mitgründer des Unternehmens. Es existiert außerdem IP, das während Förderphase entstanden ist. Dieses gehört zunächst der Förderinstitution, wird aber später per Vertrag auf die Ausgründungsgesellschaft übertragen.
Drei von vier Gründern sind außerdem mit einem EXIST-Gründerstipendium ausgestattet, in dem zwar weiteres IP entsteht, das jedoch dem Gründerteam gehört.
Bewertung¶
Der Gesprächspartner beim Interview hat folgende kritische Erfolgsfaktoren in der Entwicklung des Start-ups identifiziert:
Timing: Das Start-up hatte das Glück, ein perfektes Timing für den Aufbau des Unternehmens und die Umsetzung der Geschäftsidee gehabt zu haben. Klimawende, Energieeinsparungen/-knappheit, Nachhaltigkeit sind nur einige Begriffe, die aktuell im Fokus unserer Gesellschaft stehen. Hierzu bietet das Start-up eine hervorragende Lösung.
Team: Leider hat das Team festgestellt, dass ein Co-Founder nicht ins Team passt. Dieser musste ausgetauscht werden, was zu einem nicht unbedeutenden Zeitverlust geführt hat (gerade auch im Hinblick auf die EXIST-Förderung).
Patentsituation: Das Patent ist angemeldet, jedoch noch nicht final erteilt. Es bleibt eine gewisse rechtliche Unsicherheit.
Nutzungsrechte Patent: Das IP (Patent) befindet sich nicht im Unternehmen, was für gewisse Investoren problematisch ist. Es musste eine Zwischenlösung gefunden werden.
Nutzungsbedingungen Patent: Die konkreten Nutzungsbedingungen des Patents sollten aus Sicht des Interviewpartners vorab geklärt sein.
Kriterien: Es sollten Schlüsselkriterien für den Übergang von Evaluationsprojekt zum Inkubationsprojekt vorab festgelegt werden.
Patent Universität: Das Patent der Universität wirkt sich auf die Bewertung aus.
Fördermittelverwendung und Timelines: Es ist aus Sicht des Gesprächspartners eine bessere Kommunikation seitens der Förderinstitution notwendig, wie und bis wann die Fördermittel verbraucht sein müssen.
Auswahl Co-Founder: Aus Sicht des Gesprächspartners von elementarer Wichtigkeit.
Meilensteinplanung
Beteiligungsverhandlung
Beteiligung: Wichtig ist, von wem die Beteiligung gehalten wird. Es ist aus Sicht des Interviewpartners schwierig, wenn es viele Shareholder gibt. Eine Universität als Shareholder wird nicht gerne gesehen.
Pilotkunden: Es ist wichtig, das Produkt mit Pilotkunden zu erproben.
Vertriebsnetz: Der Aufbau eines Vertriebsnetzes ist sehr wichtig.
Finanzierung: Diese sollte noch früher forciert und von Seiten der Förderinstitution eine Awareness geschaffen werden.
Entscheidungshilfe¶
Für den hier beschriebenen Anwendungsfall war die Entscheidungshilfe nicht unbedingt notwendig.
Transfer- und Geschäftsmodel¶
Das Team verfolgt aktuell einen B2B Ansatz, bei dem der Target Customer die öffentliche Hand bzw. Klimamanager der jeweiligen Kommune/Behörde sind.
Hierbei wird ein physisches Produkt (Hardwarelösung zur Energieeinsparung) um eine Freemium Software ergänzt.
Ziel ist es, ein flächendeckendes Vertriebsnetzwerk nach Regionen zu etablieren. Erträge werden aus Produktverkäufen und der Freemium-Software generiert. Mittelfristig soll über einen „Energy-as-a-Service“ Ansatz nachgedacht werden.
Involviert waren:
CISPA bzgl. exklsusiver Nutzung des IPs durch das Start-up Team
IT Inkubator bzgl. Inkubation und Geschäftsentwicklung
Patentverwertungsagentur der Universität bzgl. Übertragung IP aus EXIST-Forschungstransfer
KWT bzgl. Beantragung EXIST-Forschungstransfer
Fazit¶
Der Gesamtzeitaufwand betrug 3-4 Jahre.
Insgesamt war man mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Das Start-up wurde erfolgreich ausgegründet.
Fallstricke entlang des Prozesses bzw. bei den Entscheidungen lagen vorallem in der Herausforderung, dass IP aus verschiedenen Quellen in das Unternehmen eingebracht werden mussten.
Phase Wachsen. Tiefenfotografie durch speziell entwickelte Objektive und softwareseitiger KI-Unterstützung.¶
FIG KEF 4 Case 3 |
Transfergegenstand und Rechtesituation¶
Die Geschäftsidee in Case 1 stammt ursprünglich von einem Mitarbeiter des Exzellenz Clusters des MPI, der Mitglied der Forschungsgruppe Hardware-/Software Innovation war. Der Gründer hatte zu dieser Zeit verschiedene Arbeitgeber und hat als Postdoc die Hauptarbeit geleistet. Die Geschäftsidee befasst sich mit Tiefenfotografie durch speziell entwickelte Objektive und softwareseitiger KI Unterstützung.
Das Start-up wurde im Jahr 2016 ausgegründet und hatte im Jahr 2018 die erste Finanzierung. Ca. 2020 hatte das Start-up die ersten Umsätze
Der Geschäftsidee liegt ein Patent zugrunde, dass gemeinsam von MPI und Universität angemeldet und später an das Start-up übertragen wurde. Das Start-up hatte in der Phase der Anmeldung des Patents zwei Ansprechpartner (MPI und Universität), wobei aus deren Sicht ein Ansprechpartner besser gewesen wäre.
Das Patent basiert sehr stark auf Hardware, jedoch schließt es auch Software teilweise mit ein. Das Team wurde 2015/2016 motiviert, mit der Geschäftsidee in Verwertung zu gehen.
Bewertung¶
Aus der Sicht des CEOs war das TRL für ein Hightech Produkt während des Entwicklungszeitraums zu niedrig. So fehlte Anfangs ein Prototyp. Dieser wäre wichtig gewesen, um potenzielle Kunden zu überzeugen.
Entscheidungshilfe¶
Für den hier beschriebenen Anwendungsfall war die Entscheidungshilfe nicht unbedingt notwendig.
Transfer- und Geschäftsmodel¶
Ursprünglich hatte das Team die Idee eines Early Exit, was bedeutet, dass das Start-up hochskaliert wird und nach wenigen Jahren verkauft, werden soll. Dafür sollte ein Lizenzgeschäft aufgebaut werden.
Dieses Vorhaben hat leider nicht funktioniert, was dazu führte, das komplette Geschäftsmodell zu überarbeiten, um selbst Hardware zu bauen und zu vertreiben.
Dieser überarbeitete Ansatz wurde dann schließlich realisiert.
Dies wurde bereits zu Zeiten des ersten Austauschs mit dem ersten Wagnisfinanzierer besprochen.
Involviert waren in diesem Entscheidungsprozess:
MPI als Erfinder Technologie,
MPI und Universität als gemeinsamer Anmelder des Patents,
IT Inkubator bezüglich Aufbau und Entwicklung eines Start-ups ,
Gründer hinsichtlich Ausgründung.
Fazit¶
Das Start-up wurde im Jahr 2016 ausgegründet und hatte im Jahr 2018 die erste Finanzierung. Ca. 2020 hatte das Start-up die ersten Umsätze.
Insgesamt waren die Gründer zufrieden mit der ursprünglichen Verwertung, die dort gesetzten Ziele wurden erreicht. Jedoch lief die Umsetzung des Geschäftsmodells zunächst nicht wieder erhofft. Auch kritisch zu bewerten ist, dass das Team über den Gründungszeitraum nicht stabil war und zweimal grundlegend in der Zusammensetzung geändert (pivotiert) werden musste.
In der Retrospektive hat der Gründer hat verschiedene kritische Erfolgsfaktoren benannt, die aus seiner Sicht während Patentanmeldung, Inkubation, Anschlussfinanzierung und der Wachstumsphase sehr relevant bzw. kritisch waren:
Hierzu gehören:
Gründerteam: Der Postdoc/Gründer, war sehr motiviert, ein eigenes Unternehmen zu gründen, hatte aber gleichzeitig ein Angebot für eine Professur im Ausland, die er nicht ablehnen konnte.
Als Kompromiss sollte einer seiner Doktoranden seine Rolle übernehmen, was sich aber als großer Fehler herausstellte, da dieser der Rolle v.a. nicht gewachsen war.
Technology Readiness Levels (TRL): Während der Entwicklungs- und Gründungsphase ist vom Team nicht verlangt worden, die Lösung und Funktionalität zu demonstrieren. Die Stakeholder fanden die Story gut und haben sich darauf verlassen.
Aus der Sicht des Gründers wäre es essentiell gewesen, einen Prototypen zu haben, zumal die Geschäftsidee im Bereich Deep Tech angesiedelt ist (also mindestens TLR 6).
Das Technology Readiness Level des Produkts war aber durchgängig zu niedrig, obwohl es an Hightech Kunden verkauft werden sollte.
Ausstattung/Equipment:
Das Team war in einem sehr spezialisierten Bereich unterwegs, wofür es spezielle Labore und spezielles Equipment benötigt hätte.
Dies war weder an der Universität noch im Starterzentrum verfügbar. So hatte man keine optimalen Entwicklungsvoraussetzungen.
IP (Intellectual Property):
Die Klärung der IP-Situation mit der Förderinstitution hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen und war lange offen. Das Team hatte zum Start der Förderphase noch keinen Vertrag, der die Nutzung des (entstehenden) IPs regelt.
Da das Team jedoch den Wert des IPs während der Förderphase kontinuierlich gesteigert hat, gleichzeitig jedoch keinen Zugriff darauf hatte, war die Situation unbefriedigend.
Letztendlich hat dies auch zu einem erhöhten Misstrauen seitens des Gründerteams gegenüber der Förderinstitution geführt.
Hier ergeht ganz klar der Rat seitens des CEOs, die Nutzung des IPs vorab zu klären.
Darunter fällt insbesondere bei Software-Verwertungen genau darauf zu achten, dass der Code frei von Rechten Dritter ist. Aus Sicht des Gründers sollte die Universität bei IP Übertrag dafür garantieren, dass dies gewährleistet ist.
Gesellschafterstruktur: Aus Sicht des Gründers sehen VCs Universitäten als Gesellschafter sehr kritisch.
Meilensteine: Aus Sicht des Gründers hätte es in den Meilensteinen während der Förderphase einen Punkt geben müssen, der sie dazu gezwungen hätte, ihre Lösung zu demonstrieren (Zwang).
Außerdem wären Pilotprojekte im Zuge der Entwicklungsphase zielführend gewesen.